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Wir müssen Freunde bleiben

Seit es Facebook gibt, sind Trennungen grausamer denn je

Dieser Beitrag ist abgelaufen: 5. Dezember 2009 00:00

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Nina Pauer veröffentlichen wir hier Ihren Artikel aus dem Zeitmagazin 35 aus 2009. Fotos : EVAN BADEN 

Nachts treffen sich die Expartner wieder, ob sie wollen oder nicht: Dass das Benutzen von Facebook sehr problematisch sein kann, hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Nina Pauer beschreibt auf sehr interessante Weise einen weiteren Aspekt, der bei der Benutzung von Facebook bedacht werden sollte.

 

Anna und Felix sehen sich jeden Tag. Oft schon morgens, am Frühstückstisch, spätestens in der Mittagspause und meist auch am Nachmittag, wenn ihnen die Zeit im Büro zu lang wird. Am häufigsten aber sehen sie sich nachts, wenn niemand sie stört. Dann blickt Anna in Felix' strahlendes Gesicht, betrachtet seine Grübchen, in die sie sich sofort verliebt hat.

Anna und Felix sind kein Paar mehr, sie haben sich vor einigen Wochen getrennt. Sie sehen sich dennoch dauernd, weil es Facebook gibt, das soziale Netzwerk im Internet.

Seit Jahren tröste ich Anna, wenn sie Liebeskummer hat. Ich lege dann den Arm um sie und sage, was beste Freundinnen nach Trennungen so sagen. Wenn ich ihr in der Vergangenheit den Rat gab, den Kontakt zu ihren Verflossenen einzustellen, hielt sie sich daran. Die folgenden Wochen der Trauer stand sie durch, bis der Schmerz irgendwann nachließ. Diesmal ist es anders. Facebook kann man nicht einfach ignorieren wie ein Telefon, das klingelt. Besucht Anna die Seite, um ihren Freundeskreis zu sehen, begegnet sie Felix - ob sie will oder nicht.

Sich zu trennen war noch nie ein Spaß, aber in Zeiten von Facebook ist die Trennung zu einer noch unschöneren Angelegenheit geworden. Man ist stets in der Versuchung nachzuschauen, was der Ex gerade so tut. Und natürlich widerstehen die meisten dieser

Versuchung nicht—zu eingespielt ist die ständige Beobachtung der alltäglich ausgesandten Nachrichten und Fotos der Netzwerk-Freunde - und so registrieren die frisch Getrennten voller Argwohn jede kleinste Veränderung des anderen. Sie analysieren die neuen Fotos des Ehemaligen: Was verrät sein Gesichtsausdruck? Geht er viel aus? Trinkt er mehr Alkohol als sonst? Und akribisch wird in selbstquälerischer Manie nach Nachrichten gesucht, die verraten könnten, dass sich der Expartner einem neuen Partner annähert.

Ein entdeckter Eintrag wie »Es war wunderschön auf dem Dachgarten ...« kann dazu rühren, dass alle gewonnen geglaubte Selbstsicherheit rasch wieder verloren ist. Ähnlich grausam können neu gewonnene »Freunde« des Expartners sein, die man nicht kennt und die den Anschein erwecken, nicht wenig attraktiv zu sein. Oftmals ist auch ein echtes Wettrüsten der Pseudofröhlichkeit zu erkennen, um sich gegenseitig zu beweisen, wie gut es einem ohne den anderen doch geht. Oder aber einer der beiden Leidenden nutzt das Netzwerk als Bühne, um jedermann an seinemSchmerz teilhaben zu lassen - nicht selten in der Hoffnung, dem Expartner ein schlechtes Gewissen zu machen. Und gäbe es eine wirksamere Weise, schmutzige Wäsche zu waschen, als Nerz-öffentlich?

Da auf Facebook alles, was innerhalb des Freundeskreises geschrieben wird, gelesen werden kann, wird selbst die trivialste Nachricht zu einem Problem. Denn man ist sich bewusst: Der Ex liest mit. Kein Satz ist mehr harmlos.

Soziale Netzwerke sind auf maximale Nähe ausgerichtet. Die Distanz, die zwischen Menschen zuweilen nötig ist, um sich voneinander entfernen zu können, ist hier nicht vorgesehen. Wo die Frage »Was machst du gerade?« jede Sekunde auf Antwort drängelt, kann schwerlich etwas im Sande verlaufen. Wenn niemand mehr online »geht«, sondern alle dank Fiatrates und iPhones durchgängig online sind, ist Abstand gewinnen ein tenden-ziell unmögliches Vorhaben.

Auch im Zeitalter vor Facebook stellte sich das Problem, auf welche Weise mit alten Fotos unizugehen sei, die kurz zuvor noch als Beweis der Liebe galten: Pärchenfotos, zumeist bei gutem Wetter aufgenommen. In Facebook-Zeiten können sich Trennende diese Fotos nicht mehr in aller Stille in einen Schuhkarton packen und unters Bett schieben. Wollen sie die Fotos nicht mehr täglich sehen, müssen sie die Dokumente des Vergangenen vor den Augen des gesamten Freundeskreises löschen. Und vor denen des Ex-panners. Er erlebt, ein grausamer Akt, die Entsorgung der Liebe live mit.

Auch war, wer sich früher trennte, meist nicht dabei, wenn der Exfreund zum ersten Mal die Wendung »meine Exfreundin« benutzte. Heute kann man auf die Stunde genau erfahren, wann der andere seinen Status auf der Facebook-Seite von »in einer Beziehung mit...« auf »Single« zurückgesetzt hat.

Nicht wenig perfide ist das grüne Lämp-chen mit dem Namen des Expartners, das in der rechten Bildschirmecke darauf hinweist, dass der Expartner für einen Chat zur Verfugung stünde. Man schweigt zwar, aber das Schweigen wird schnell zur Belästigung. Das grüne Lämp-chen ist wie ein dauernd klingelndes Handy, auf dessen Display der Name des Ex erscheint—und nie hebt man ab.

Einiges würde etwas einfacher, wenn sich Menschen, sobald die Liebe endet, »blocken«. Tatsächlich kann man dann dem Geblockten keine direkten Nachrichten mehr schreiben und er einem auch nicht. Allerdings ist erstens die Scheu groß, als Erster diesen Schritt zu wagen, könnte man doch den anderen damit verletzen. Und zweitens verschont einen diese Methode nicht vor der virtuellen Präsenz des Ex: Was er gemeinsamen Freunden schreibt, erscheint weiter auf dem Bildschirm.

Und so gibt es kein leidloses Herauswinden. Sich Liebende müssten heute, solange sie sich noch lieben, ein paar Fragen klären: Blockt man sich, wenn es aus ist? Löscht man die Fotos? Als ich mit Anna darüber spreche, sagt sie:

»Das ist doch alles ganz schön krank.«

Sie wird erst einmal ohne Laprop verreisen. Vorher will sie noch ihren Beziehungsstatus bei Facebook ändern. Gemeinsam klicken wir uns durch die aufgelisteren Alternativen. Wir entscheiden uns für: »Es ist kompliziert.«

Quelle: zeitmagazin nr. 35
Fotos: Evan Baden

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| 17.10.2009